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Papierstruktur

Olena Sachartschenko: »Kämpferinnen« (Übersetzung: Jutta Lindekugel)

»So«, sagte Witka, „keine Panik.«

»Ha!«, antwortete ihr meine Panik.
   Dann schwieg ich.
   Wir saßen im Pressezentrum im Haus der Gewerkschaften. Die Spezialeinheit Berkut hatte das Ukrainische Haus eingenommen, die Barrikaden auf der Hruschewskyj-Straße waren durchbrochen, und der Angriff auf den Majdan hatte begonnen. Witka war kurz zuvor von Tituschky zusammengeschlagen worden, aber glimpflich davongekommen – im Gegensatz zu mir. Weswegen ich jetzt auch keine Hilfe war. Ich war zu nichts nütze, saß einfach nur herum und wartete auf Schenja.
   Schenja, eigentlich Jewhenij Tschemerys. war ein guter Freund und Journalist bei der »Ukrajinska Prawda«. Während der Revolution diesen Winter hatte er es geschafft, ins Lager der Tituschky im Marijinskyj-Park hineinzuspazieren, als dieses eigentlich abgeriegelt war, und auch in die Stellung des Berkut in der Hruschewskyj, als dort geschossen wurde. Er kam also offensichtlich überall rein, und er war jetzt meine einzige Hoffnung.
  »Wärst du heute mal zu Hause geblieben!«, sagte Witka verärgert und gab mir ein Glas Wasser und eine Pille. »Trink das. Also, wieso ist er heute überhaupt zur Schule gegangen?«
   Er, das ist mein Sohn. Seine Schule befindet sich an der Straßenecke von Olhynska und Instytutska, in der Nähe der Nationalbank. Ausgerechnet bei der Metro-Station, wo es heute die meisten Kämpfe und Toten gegeben hatte. Schenja war losgezogen, um ihn zu suchen.
  »Wer konnte das denn ahnen?«, murmelte ich.

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